Fremde in der Reichsstadt
Mühlhausen/Thüringen, 3. bis 5. März 2025
Zwölfte wissenschaftliche Tagung des “Mühlhäuser Arbeitskreises für Reichsstadtgeschichte” in Verbindung mit der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung und dem Mühlhäuser Geschichts- und Denkmalpflegeverein e. V.
Konzeption
“Fremdsein” und “Fremdheit” gelten heute als politische Kampfbegriffe, die oft missbraucht werden, um Deutungshoheit in Zugehörigkeits- und Identitätsdiskursen zu erlangen. In der Vormoderne galt das bzw. der Fremde keineswegs nur der politischen Vereinnahmung idealisierter Identitäten oder vermeintlicher Bedrohung “von außen”. Fremdes war vielfach positiv konnotiert, galt als Anregung und exotische Bereicherung, die im besten Falle Prestige förderte.
Reichsstädte mit ihrer rechtlich und ökonomisch privilegierten Stellung im Reich hatten einen besonderen Bezug zur “Fremdheit”. Hier galten eigene Spielregeln, was insbesondere in Zeiten äußerer Bedrohung sichtbar wurde. Gleichzeitig waren deren Stadtmauern, die ein Innen und ein Außen voneinander Schieden, durchlässig und ermöglichten eine dynamische, wenn auch selektive Zirkulation von Personen, Ideen und Objekten. Doch auch im Inneren war der Urbane Raum zergliedert, denn hier teilten sich “fremde” Bereiche unterschlichen Rechts die Stadt als Lebens- und Deutungsraum. Aushandlungsprozesse prägten auch Veranstaltungen, Feste, Jahrmärkte oder Reichsversammlungen. Parteienbildungen und Kämpfe, die sich der kommunikativen Strategien und Symbole eines durchweg modernen “othering” bedienten, waren ebenfalls Bestandteil der politischen Kultur.
Im Zentrum der Mühlhäuser Reichsstadttagung stehen sowohl Fragen nach einem spezifisch reichsstädtischen Umgang mit “Fremdheit” und “Fremden” als auch der Blick auf einzelne Akteure und die von ihnen entwickelten dynamischen Praktiken von Inklusion und Exklusion, welche die städtische ‘Identität’ der Vormoderne mitprägten. Dies wird in sechs Sektionen anhand von Fallbeispielen und neuen Konzepten dargelegt, die auch einen Vergleich zum nicht-reichstädtischen Kontext ermöglichen. Die traditionelle Exkursion am Mittwoch schlägt den Boden in die nationalstaatliche Gegenwart und ihren stark politisierten Umgang mit “Fremden” und “Fremdheit”.